Elly-Leonore Michel

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Elly-Leonore Michel

Also Known As: "Ello"
Birthdate:
Birthplace: Wilmersdorf, Berlin, Berlin, Germany
Death: April 02, 2007 (67)
Wilmersdorf, Berlin, Berlin, Germany
Immediate Family:

Daughter of Karl Michel, Jr. and Elisabeth Michel
Ex-wife of Manfred Henkel
Ex-partner of Andreas Baader and Víctor Cruz
Mother of Private and Private
Sister of Karl-Wolfgang Michel; Private; Private; Helga Karola Hedwig Seytter and Private

Occupation: Kunstmalerin
Managed by: Tobias Rachor (C)
Last Updated:
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Immediate Family

About Elly-Leonore Michel

Ellinor Michel - Biographie:

Geboren am 19.6.1939 in Berlin-Wilmersdorf.

1956 Studium Gebrauchsgraphik - Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe

1957-60 Studium freie Graphik - Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart

1961 Beginn mit Ölmalerei

1962 Rückkehr nach Berlin als freischaffende Künstlerin

Gestorben am 2.4.2007 in Berlin-Wilmersdorf.

"Ellinor lebte von 1939 bis 1943 als jüngste von damals fünf Geschwistern in Berlin, bevor die Familie wegen der Bombenangriffe nach Süddeutschland evakuiert wurde. Der Vater Karl Michel fand im Januar 1945 als Wehrmachtsoffizier infolge des Attentats vom 20. Juli 1944 den Tod. Weil danach eine weitere Schwester zur Welt kam, wurden zwei Kinder von einer befreundeten Familie im mittleren Schwarzwald als Pflegekinder aufgenommen. Dort lebte auch Ellinor vier Jahre lang und legte 1956 die mittlere Reife ab. Ihre ersten künstlerischen Ambitionen wurden gefördert durch Modellierkurse bei dem später namhaften Bildhauer Erich Hauser. Beim Kunststudium in Stuttgart lernt sie den Maler Manfred Henkel kennen. Sie heiraten 1960; Sohn Robert kommt 1962 zur Welt.

Im darauf folgenden Jahr zieht die Familie nach Berlin. Die Ungebundenheit der dortigen Künstlerszene führt auch zur Bekanntschaft mit Andreas Baader. Aus dieser Beziehung geht 1965 die Tochter Suse hervor. Bevor Baader ab 1966 in politische Irritationen und später in die Illegalität abdriftet, endet 1967 auch das Zusammenleben mit Ello. Die Kinder kamen schließlich zu Manfred Henkel und seiner neuen Ehepartnerin. Nach drei Jahrzehnten enormer künstlerischer Aktivität bei wechselnden Partnerschaften zwangen mehrere schwere Krankheiten, das Malen zu reduzieren und schließlich ganz einzustellen. Eine letzte glückliche Beziehung mit dem kubanischen Musiker Victor Cruz läßt sie nach einem wechselhaften Leben ein eher ruhiges und häusliches Dasein führen. Nach Victors Tod 1998 zog sie sich immer mehr zurück. Mehrere Krankheiten und ein völliger körperlicher Zusammenbruch führten innerhalb von acht Monaten Anfang April 2007 zu einem erlösenden Ende."

(Udo Moser-Michel)

Ausstellungen(Auswahl:

1967 Kleine Weltlaterne, Berlin-Kreuzberg

1968 Galerie Mensch, Hamburg

1969 Schöneberger Weltlaterne, Berlin-Schöneberg

Galerie ‚bel étage’, Berlin-Charlottenburg

1970 Kleine Weltlaterne, Berlin-Kreuzberg

1971/72 Bildermarkt, Berlin-Schöneberg

1974 Galerie Danckert, Berlin-Charlottenburg

1975 Anwaltspraxis Dr. Grüber, Berlin-Wilmersdorf

1976 Ausstellungsraum Daimler-Benz, Berlin-Charlottenburg

1977-79 Galerie X, Berlin-Wilmersdorf

1977 Kleine Weltlaterne, Berlin-Wilmersdorf

1978 Hilton-Hotel, Berlin-Tiergarten

1979 Ausstellungsraum Daimler-Benz, Berlin-Charlottenburg

1981 Ausstellungsraum Daimler-Benz, Berlin-Steglitz

1983 Praxis Dr. Martin Talke, Berlin-Spandau

1984 Galerie Brigitte Wölfer, Berlin-Charlottenburg (mit Werner Hansche)

1987 Berliner Commerzbank AG, Berlin-Halensee

Werke von Ellinor Michel:

http://www.kunstkontor-rampoldt.de/michel_werke.html

(Werner van Bebber veröffentlicht 27.4.2007 0:00 Uhr in:

http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/Unternehmen;art129,2234072):

"Ellinor Michel

(Geb. 1939) Sie malte Bilder, ihr Geliebter baute Bomben.

Sie malte Bilder, ihr Geliebter baute Bomben. Eine Prinzessin, blonde Locken, braune Augen, ein sanftes Gesicht, nicht frei von Stolz. Der Vater, ein Offizier, hat sie geschont, die Prügel bekamen die größeren Geschwister. An einem Morgen im Januar 1945 wachte Ellinor, die alle Ello nannten, mit den Worten auf: „Der Papi ist tot.“ Sie hatte es geträumt, gespürt. Ihr Vater, der preußische Offizier, war in diesen Tagen im Kurland-Kessel erschossen worden.

Ellos Mutter hatte für Prinzessinnen nichts übrig, sie hatte, wie sie meinte, äußerst ungehorsame Kinder. Als Ello neun war, zerrte sie ein Mann ins Gebüsch, zerriss ihr das Kleid. Dem weinenden Mädchen verpasste die Mutter Prügel. Ello erholte sich erst wieder und blühte auf, als sie zu Pflegeeltern kam, einem Fabrikantenpaar mit Dienstboten und einer Villa im Süddeutschen. Ello bekam ihre Kleider genäht und lernte, sich und das Leben wieder schön zu finden. Nur die Schule nicht. Sie ging ab, so früh es ging, besuchte die Kunsthochschule in Karlsruhe, wurde Grafikerin, begann zu malen.

Manfred war ihr ebenbürtig, künstlerisch veranlagt, ebenso bürgerlich geprägt. Als Ello ihn heiratete, war sie 21.

Ihren Schicksalsmann traf sie nach der Rückkehr in die Heimatstadt Berlin, die Stadt, in die man ging, wenn man wild leben wollte. Der Schicksalsmann hieß Andreas Baader. Mit Manfred, ihrem Ehemann, hatte Ello einen kleinen Sohn, wie Manfred malte sie, neben Manfred trank sie nachts am Tresen einer dieser Kneipen, in denen die Nächte lang waren und die Gespräche existentiell. Dort sah sie Andreas Baader, und er sah sie.

Wer Baader und sie gemeinsam erlebte, empfand Sympathie nur für die Malerin. Der angehende Politkriminelle kommandierte herum, Zigarette im Mundwinkel. Sie liebte ihn.

Ello spezialisierte sich auf gut verkäufliche Gemälde, Landschaften, Blumen, farbenfroh, gekonnt impressionistisch. Sie malte nachts, aufgeputscht von allem, was man so schluckte. Sie hatte Fans. Günter Pfitzmann schrieb „für Ello“ auf eine Autogrammkarte und dekorierte zwei Häuser mit ihren Bildern.

Baader lebte von Ello und ihrer rauschhaft zehrenden Malerei, ihr kleiner Junge ohnehin, etliche Leute auch, mit denen Baader seine Abende verbrachte.

Ellos Mann wollte die Ehe nicht aufgeben. Er alarmierte ihre Brüder. Der eine stieß Baader die Treppe hinunter. Der andere redete ihm ins Gewissen. Baader stand am nächsten Tag vor Ellos Fenster. Sie sah ihn, und sie war bewegt.

Die Revolution interessierte sie nicht, für so was hatte sie keine Zeit. Im März 1965 kam Tochter Suse auf die Welt. Ello hatte zwei Kinder, zwei Männer, einen freien Beruf und einen Kühlschrank zu füllen. Sie malte im Akkord, nachts, drogenbeschleunigt. Tagsüber war sie Mutter. Baader und seine Gesinnungsgenossen benutzten die Wohnung als Bombenbastelwerkstatt. Als Ello erfuhr, dass ein Sprengsatz fürs KaDeWe bestimmt war, sagte sie: „Wenn ihr das macht, geh’ ich da mit den Kindern einkaufen.“ Vielleicht war das der Grund, weshalb der Brandsatz im Kaufhaus Schneider in Frankfurt / Main hochging.

Zu diesem Zeitpunkt hatte Baader längst ein paar Berliner Verhältnisse umgestürzt: Ello, die Malerin, bewältigte ihr Leben nicht mehr, ihren kleinen Jungen und das noch kleinere Mädchen gab sie beim Sozialamt ab. Die Kinder kamen erst ins Heim, später zu Manfred, ihrem Ehemann. Und Baader wechselte von Ello zu Gudrun Ensslin. Die wiederum ließ ihren Sohn beim Vater Bertram Vesper zurück.

Ello, die stolze Schöne litt, hasste und malte. Baader brandstiftete, kam ins Gefängnis – und schrieb Liebesbriefe an Ello. Stets hing eine Liste mit Dingen dran, die er dringend brauchte, Rasierwasser, Suhrkamp-Taschenbücher. Ello antwortete ihm, doch sie ließ sich nicht mehr ein. Seit 1969 waren sie kein Paar mehr. Gemalt hat sie ihn weiterhin.

Sie wohnte jetzt in der Droysenstraße in Charlottenburg, wohnte vor allem in der Küche, das große Zimmer war ihr Atelier. Und sie traf noch einen starken Mann – keinen Revolutionär, sondern einen für den Alltag. Victor kam aus Kuba und machte Musik. Er sprach nicht Deutsch, sie nicht Spanisch, doch das war egal.

Victor, fast 30 Jahre älter als sie, starb 1999. Ello erzählte ihm am Grab auf dem Friedhof an der Bornstedter Straße alles, was wichtig war. Dort wird ihre Asche am kommenden Mittwoch um 13 Uhr beigesetzt."

Zum Nachruf für Ellinor Michel vom 27. April:

"Über den Nachruf kann ich leider nicht glücklich sein. Der Untertitel „Sie malte Bilder …“ verkürzt Ellos Leben auf eine nebensächliche Phase, die – wenn überhaupt – erst nach dem Zusammenleben mit Baader stattgefunden haben kann. Jedenfalls sind Freunde und Bekannte bestürzt darüber, dass der Tagesspiegel damit Ellos ganzes Leben in das Licht „hier Künstlerin – da Terrorist“ taucht. Diese Masche wird auch in anderen Textteilen durchgezogen wie die Klischees vom prügelnden Vater, Pflegeeltern mit Villa und Dienstboten bis zum permanenten Rauschgiftkonsum.

Ich weiß, auch in einem Nachruf kann man nicht nur die positiven Seiten eines Lebens darstellen, ich halte es aber für unfair, im Untertitel und durch Betonung von aufgebauschten Nebensächlichkeiten dem ganzen Artikel einen negativen Stempel aufzudrücken."

(Udo Moser Michel, Braunschweig

»Vergiss mich nicht dauernd«

Ello Michel ist eine gefragte Frau. Immer wieder wurde sie von Journalisten um Auskunft gebeten, »wie Andreas denn wirklich war«.

Bisher hat sie immer geschwiegen. Als 1977 ihr Exfreund Andreas Baader in Stammheim starb, belagerten Journalisten ihr Haus, sie ging mehrere Tage nicht aus der Wohnung. Seit jener Zeit teilte sie bestenfalls mit, sie wäre »fertig mit dem Thema«, gelegentlich wurde sie auch unfreundlich und beendete Telefongespräche abrupt. Auch dem Autor dieses Artikels ging es zunächst nicht anders.

Als ihm im Juni 2002 doch noch Einlass in ihre Wohnung in Berlin-Charlottenburg gewährt wird, öffnet eine Frau von Mitte sechzig, die man anhand alter Fotos nicht erkennen würde. » Damals war ich eine sehr schöne Frau«, bemerkt Ello Michel knapp. Wenn sie lacht, und sie lacht viel, sieht man keine Zähne. Michel hat eine lange, selbstzerstörerische Drogenkarriere hinter sich. LSD, Meskalin, STP, Captagon, viel Whiskey, »und zur Belohnung noch einen Joint«, sagt sie. Seit 1990 sei sie jedoch trocken. Früher hat Ello Michel gemalt, schon lange lebt sie von Sozialhilfe. Sie lebt allein.

Michel steckt sich eine weitere Zigarette an, ihr Blick ist müde.

Obwohl sie offenbar am liebsten alles getilgt hätte, was an ihren Exfreund erinnert, hat sie doch etwas von ihm aufbewahrt. Umständlich nestelt sie aus ihrem Schreibtisch ein Päckchen Briefe heraus. Eine rote Schleife umfasst das Bündel.

Dass Andreas Baader aus dem Gefängnis eifrig Briefe schrieb, war bisher kaum bekannt. Und besonders oft schrieb er, während einer Untersuchungshaft im Jahr 1968, an Ello Michel, die Mutter seiner Tochter Suse.

Am 2. April 1968 hatte Andreas Baader, damals 24, in zwei Frankfurter Kaufhäusern Feuer gelegt, aus Protest gegen den Vietnamkrieg. Baaders Briefe an Ello aus dem »Untersuchungsgefängnis für Männer« in Frankfurt sind Liebesbriefe, obwohl er zum Zeitpunkt seiner Festnahme bereits einige Monate mit Gudrun Ensslin liiert war. Die Briefe sind Zeugnis einer inneren Zerrissenheit, ein treffendes Bild seiner selbst am Beginn seiner Laufbahn als Terrorist. Zwanzig Briefe sind erhalten geblieben, sie sind zärtlich, verletzend und fordernd, zum Teil unerträglich selbstmitleidig, überfrachtet mit Metaphern und Pathos.

Am 30. April 1968 formuliert er den vermutlich ersten Brief an Ello.

Ello lebt mit Suse und Robert, ihrem Sohn aus einer früheren Beziehung, in Berlin. Inzwischen hat Baader erfahren, dass sie nach seiner Inhaftierung beide Kinder in ein Heim gegeben hat. » Ach Ello«, beginnt er, »Du bist natürlich so brutal wie möglich, Du tust die Kinder in ein Heim (warum?). Du schreibst nicht und ich weiß nichts, nur, nach dunklen Briefen, Du hast mich in drei Wochen verscharrt wie ein Stück Dreck, ich habe immer noch (wie lang) eine qualvolle Beziehung zu Dir und zu unserem mörderischen Gezänk, so, dass schreiben mir ziemlich leer vorkommt, und ich schreib Dir auch nichts (obwohl ich möchte), denn ich denke, dass es Dir gleichgültig ist oder Dich stört und so demütig kann ich nicht einmal jetzt sein. Ich habe kein Selbstmitleid, nur eine ziemlich dürre Zeit vor mir, eine triviale und absurde Konsequenz, mit der Du zwar zu tun hast, die Dich aber nichts mehr angeht, aber ich kann nicht jammern, du wolltest immer helfen, also hilf mir, schreib mir einen Brief, lang und endlich deutlich, schick ein paar Fotos und lass mich nicht zu lang warten, denn ein Tag ist hier ein Jahr lang.«

Er wünscht sich Wurst, Tabak, Pfeife und ein Buch von Genet Handschriftlich fügt er seine Wünsche hinzu. Eine »gute Pfeife«, ein paar Dosen Tabak, Marke Dunhill. Ein Abo für »die süddeutsche« und »konkret«. Zwischen die Aufträge streut er noch lapidar den Satz ein: »Die Kinder, was willst Du tun?« Ein weiterer, vierseitiger Brief reagiert auf Ellos Antwort auf den ersten. Überschrieben mit »Mein Herz«, beklagt er die Kürze ihres Briefes und Ellos angebliche Gleichgültigkeit gegenüber seiner nun sechswöchigen Abwesenheit. Es falle ihm schwer, »Dir keinen zynischen Fetzen zu schreiben«.

Dann macht er ihr Vorwürfe wegen ihrer Aussage gegenüber der Polizei im April 1968: »Ich weiß, es war Dir eine Qual mir 20 Zeilen zu schreiben, eine Lust ein langes Protokoll auszusagen, voll Düsternis und Dummheit. Meine Träume hast du damit vertrieben, ich bin endlich weit weg von Dir, aber ich lese Deinen Brief und der Schweiß bricht mir aus, ein kaltes selbstsüchtiges Ding, viel mehr, dazwischen ein Entschluss mir den Hals abzudrehen.« Doch schon auf der nächsten Seite bietet er Vergebung seinerseits an und ist bereit, das Protokoll zu »vergessen«. Aber er will wissen, wer gerade ihr Liebhaber ist und »wann du an mich denkst«.

Besonders in der ersten Zeit nach der Verhaftung erkundigt er sich oft nach Suse und Robert. » Die Kinder, glaubst Du ich höre auf zu denken, dass es auch meine Kinder sind?« Wenige Zeilen später: »Erinnere die Kinder an mich. () Wer spielt mit den Kindern?« Er endet mit einigen Wünschen, materieller und emotionaler Art: »Du kannst Bücher, Geld bis 100 DM schicken eine Wurst, Tabak, Pfeife Bücher (Theorie) Genet, die Du noch findest u. das argument und schreib mir erstmal was mir noch gehört (von Dir) vielleicht kann ich Dir dann schreiben, wie so ein Tag aussieht und eine Nacht und meine verfluchten Erinnerungen, verdammt ich bin 24 Stunden am Tag in einem 6 qm grossen Loch allein seit einem Monat, ich werde hier verrückt, wenn ich keine Briefe habe, also schreibe schnell.«

Darüber hinaus arbeitet sich Andreas Baader an den Briefzensoren ab.

»Es genügt nicht, dass mein Wanst total verwaltet wird, sie legen ihre filzigen Finger auch auf meine Briefe. Ein trauriger Lappen an Dich bleibt in der Zensur hängen der Grund warum das solang dauert und ich habe eine Woche versucht rauszufinden warum und ob ich Dir noch einmal schreibe«, klagt er im Juli 1968 an Ello. Der Beginn des Prozesses verschiebt sich. Sollte er ursprünglich schon im Juli eröffnet werden, ist er jetzt auf Oktober terminiert. Andreas Baader trifft erste Vorbereitungen. Im Sommer schreibt er, Ello solle schon mal für seine Kostümierung vor Gericht sorgen: »und such und such und such ein paar lustige Kleider für meinen Prozess«.

»Wenn ich rauskomme, werde ich Dich glücklicher machen« Ansonsten ringt er in den Briefen um die gemeinsame Beziehung und um deren Fortsetzung für die Zeit, wenn er das Gefängnis wieder verlassen hat. » Ich weiß, einmal aus dieser Zelle will ich keine Minute mehr ruhig sitzen und wie soll sich das mit Dir vertragen? Aber Katze, es genügt natürlich nicht ein Satz (oder doch), um klar zu machen, dass wir wieder zusammen sein sollen. Verflucht, ich verhungere, ich habe immer noch alles für Dich übrig, aber ich glaube Du drehst mich wie einen faulen Apfel hin und her ().« Auch der nicht vorhandene Kontakt zu Suse und Robert setzt ihm zu. » Warum schreiben die Kinder nichts?«, fragt er. » Darunter leide ich sehr.«

Der nächste Brief von Andreas Baader ist mit rosa Filzstift geschrieben. » Es ist genau wie es war derselbe verfluchte Schmerz, alles hat sich verändert, das bleibt. Hört das nie auf?« Er sei »natürlich nicht wütend auf Dich, wie könnte ich das jetzt sein«.

Offensichtlich selbst ein wenig überrascht von seiner eigenen Freundlichkeit, bekennt er am Ende dieses Briefes vom 22. Juli 1968: »Hör mal, ich sehe das ist ein Liebesbrief fang was damit an.«

Inzwischen steht der Prozesstermin fest. Die Verhandlungstage sind vom 14. bis 31. Oktober 1968 angesetzt. Schon bevor die Verhandlung beginnt, hat Andreas Baader eine realistische Einschätzung davon, welche Haftstrafe auf ihn zukommen wird. Das liegt wohl auch an einem Besuch Otto Schilys. » Schily war hier, das heißt, ich habe mich ein paar Tage gewunden und, verfluchtes Tier, damit du keine Hoffnungen hast, die Idee vor drei fürchterlichen Jahren aus diesem Loch zu kommen, habe ich nicht.« Am Ende beschwört er Ello: »Schöne große Katze Vergiss mich nicht dauernd. Andreas.«

Trotz der Liebesbeschwörung besucht Ello ihn nicht, auch das verabredete Paket lässt auf sich warten. Erzürnt schreibt er: »Ello, entweder bist Du geizig oder total vertrottelt oder lebst, was mir nicht egal ist, so, das Du vergessen hast, dass ein Kerl wie ich Rasierwasser braucht und ein Kerl wie ich Puder.«

Ultimativ fordert er sie auf, ihn endlich einmal in der Justizvollzugsanstalt Butzbach, wohin er inzwischen verlegt wurde, zu besuchen. Baader erhofft sich ein milderes Strafmaß, wenn sie vor Gericht das negative Charakterbild revidieren würde, das zuvor von ihm gezeichnet worden war. Eindringlich beschwört er sie, nichts zu sagen über das, was »vor Dir« war. Seine Vergangenheit möchte er am liebsten selbst erfinden: »Sag nichts.« Sie solle bei ihrer Aussage bekunden: Die Vorstellung, dass er sich innerhalb so kurzer Zeit »zum Terroristen« hätte entwickeln können, sei »absurd«.

Sein Brief hat Erfolg. Endlich besucht sie ihn in Butzbach. Die Gefängnisatmosphäre sei »furchtbar« gewesen, sagt Ello heute. So furchtbar, dass es ihr einziger Besuch blieb. Während des einstündigen Besuchs bittet Andreas um Ellos Sonnenbrille, die er später im Prozess tragen wird. Im Brief hatte er zuvor geschrieben: »Verfluchte Scheiße, Du wirst es schon richtig machen wenn ich rauskomme, was ich nicht glaube, werde ich Dich glücklicher machen.«

Dazu kam es nicht. Ello Michel und Andreas Baader haben sich nach dem Prozess nur noch zwei Mal gesehen.

Ello Michel lebt seit ein paar Monaten in einem Pflegeheim in Berlin.

Klaus Stern, 38, wurde für einen Film über Andreas Baader mit dem Deutschen Fernsehpreis 2003 ausgezeichnet. Gemeinsam mit Jörg Herrmann hat Stern kürzlich die erste Baader-Biografie veröffentlicht: »Andreas Baader. Das Leben eines Staatsfeindes«, erschienen im Verlag dtv premium

Quelle:

DIE ZEIT Nr.03 vom 11.01.2007, S.52

"Alter und neuer Terrorismus
30 Jahre „Deutscher Herbst“ Ein Sammelband und eine Biografie von Gottfried Oy

Fast dreißig Jahre ist es her, da hielt eine zwanzigköpfige Rote Armee Fraktion die Republik in Atem, um ihre Genossen im Gefängnis zu befreien. „Deutscher Herbst" sollten einmal die Wochen um den 18. Oktober 1977 genannt werden, in denen Entführungen und Attentate zahlreiche Todesopfer forderten, die Bundesregierung im Zuge der Wahrung der inneren Sicherheit Grundrechte aushebelte und schließlich das 1968 begonnene „rote Jahrzehnt" zu einem jähen Ende kam.

Mit „Die RAF und der linke Terrorismus" liegt nun ein über 1400 Seiten starkes, zweibändiges Kompendium aus dem Hamburger Institut für Sozialforschung vor, das dieses Jubiläum zum Anlass nimmt, eine „Topologie des RAF-Terrorismus" zu entwerfen.

Während dieses von Wolfgang Kraushaar herausgegebene Buch an frühere Veröffentlichungen wie die Arbeiten über Rudi Dutschke oder die „Tupamaros Westberlin", eine Vorläuferorganisation der „Bewegung 2. Juni" anknüpft, schließen der Dokumentarfilmer Klaus Stern und der Theologe Jörg Hermann eine zeithistorische Lücke: Sie veröffentlichen die erste Andreas Baader-Biografie. Um es vorweg zu sagen: Beide Publikationen treten inhaltlich auf der Stelle, weder die über sechzig Beiträge des Sammelbandes, noch die über 350 Seiten Baader Biografie liefern neue Erkenntnisse.

Zunächst stellt sich die Frage, wieso eine Beschäftigung mit der 1970 gegründeten RAF, deren Selbstauflösung acht Jahre zurückliegt, ansteht. Die Politik der Stadtguerilla gilt allgemein als gescheitert, politische Gewalt ist in sozialen Bewegungen linker Provenienz weitestgehend tabuisiert. Wenn überhaupt haben noch nationale Befreiungsbewegungen von damals überlebt, die ihren sozialistischen Zeitkolorit aus den Siebzigern allerdings schon lange abgelegt haben. Mit der Chiffre „9/11" ist heute hingegen eine neue Art des Terrorismus verbunden, die nicht nur alles in den Schatten stellt, was in den Siebzigern geschah, sondern auch qualitativ völlig andere Dimensionen hat. Und so benennt Kraushaar denn auch die Unterschiede: Den neuen Terrorismus zeichne eine „Ubiquität der Opferziele", eine „nihilistische Dimension" aus, die sich nicht nur in der Wahllosigkeit der Opfer, sondern auch in der Figur des Selbstmordattentäters ausdrücke. Auch organisatorisch zeigen sich Unterschiede, so Kraushaar: Hierarchische Organisationsformen seien durch multiple Netzwerke abgelöst, eine Unterscheidung zwischen Mitglieder und bloßen Anhängern sei nicht mehr möglich. Hinzu komme der globale Aspekt des neuen Terrorismus. Bindeglied hingegen zum alten Terrorismus sei der Antiamerikanismus und dadurch vermittelt der Antisemitismus der bewaffnet agierenden Gruppierungen. Es geht somit, und das ist die Stärke der Kraushaarschen geschichtspolitischen Intervention, nicht allein um die Rolle von Gewalt in politischen Prozessen, es geht zudem um eine dezidiert politische Kritik. Einen Anspruch, den viele Beiträge des Bandes jedoch nicht einlösen.

Die positive Absicht, aus der Dichotomie zwischen „guter", vielleicht allzu naiver 68er-Bewegung und dogmatischen wie gewalttägigen siebziger Jahren in der Geschichtsschreibung zu entkommen, kann nicht eingelöst werden, weil sowohl Kraushaars Projekt als auch die Baader-Biografie – ähnlich übrigens wie zuletzt die RAF-Ausstellung der Kunstwerke Berlin – im Antagonismus zwischen Staat und RAF verhaftet bleiben. Es kann zwar keine Position im Niemandsland geben, das Problem einer bis heute verlangten Positionierung muss aber zumindest thematisiert werden. Überhaupt verschwinden in einigen Beiträgen des Sammelbandes die Grenzen: Geht es im juristischen Sinn um Verbrechensaufklärung, an der sich die Zeitgeschichtsforschung beteiligen möchte, oder geht es um eine politische Auseinandersetzung mit der RAF und ihrem Gegenüber, den Staatsorganen der alten Bundesrepublik? Hier wäre deutlich mehr Quellenkritik angebracht: Während etwa Quellen aus den sozialen Bewegungen mit spitzen Fingern angefasst werden, stehen Vernehmungsprotokolle, Verfassungsschutzberichte, Lageeinschätzungen der politischen Polizei in Form und Inhalt völlig außer Kritik. Dass die Geschichte der RAF immer auch die Geschichte der inneren Sicherheit ist, darauf verweist zumindest ein Abschnitt in Kraushaars Kompendium. Doch selbst in diesem Kapitel nimmt die Auseinandersetzung mit dem „Phantasma der ‚Vernichtungshaft'" oder der „Typologie der linken Anwälte" einen größeren Raum ein, als die Thematisierung des staatlichen Handelns, etwa während des „Deutschen Herbstes".

Mit ähnlichem inhaltlichen Tenor, aber mit anderem Quellenmaterial verschenken Stern und Herrmann mit ihrer Baader-Biografie die Möglichkeiten, die sie sich durch akribische Recherche und zahlreiche Zeitzeugeninterviews geschaffen haben. Allzu oft verliert sich der Text in langatmigen Darstellungen, Zeitzeugen wie Elly-Leonore Henkel-Michel, Mutter der gemeinsamen Tochter Suse, die Tochter Suse selbst oder der Stammheimer Vollzugsbeamte Horst Bubeck bestätigen einmal mehr das, was über den egozentrischen Dandy, Waffennarr, Autoliebhaber und skrupellosen Chefterroristen schon seit langem von einer Publikation zur nächsten weiterzitiert wird – wenn auch durchaus Interessantes über weniger bekannte Aspekte im Leben Baaders zu Tage tritt, wie etwa seine enge Freundschaft zum Tänzer und Schaupieler Michael Kroecher, seinem Onkel.

Am Kraushaarschen Sammelband wird schon allein wegen seines umfassenden Anspruchs im anstehenden Jubiläumsjahr des „Deutschen Herbstes“ wohl keiner vorbeikommen. Bleibt zu hoffen, dass das enzyklopädische Werk eine mögliche Debatte über die alte Bundesrepublik, die Politik der inneren Sicherheit und die RAF nicht erstickt, bevor sie überhaupt begonnen hat."

Quelle:

http://www.trend.infopartisan.net/trd0207/t170207.html

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Elly-Leonore Michel's Timeline

1939
June 19, 1939
Wilmersdorf, Berlin, Berlin, Germany
2007
April 2, 2007
Age 67
Wilmersdorf, Berlin, Berlin, Germany