Leopold Kompert

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Leopold Kompert

Birthdate:
Birthplace: Mnichovo Hradištĕ, Central Bohemia, Czech Republic
Death: November 23, 1886 (64)
Vienna, Austria
Place of Burial: Vienna, Vienna, Austria
Immediate Family:

Son of Josef Kompert and Susanne Kompert
Husband of Marie Kompert Pollak

Occupation: k.k. Regierungsrat, Novellist, Schrifsteller
Managed by: Randy Schoenberg
Last Updated:
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Immediate Family

About Leopold Kompert

http://en.wikipedia.org/wiki/Leopold_Kompert

Leopold Kompert (May 15, 1822 - November 23, 1886) was a Bohemian Jewish writer. He was born in Mnichovo Hradiště (German: Münchengrätz), Bohemia, and died in Vienna. He studied at the universities of Prague and Vienna, and was for several years tutor in the house of Count George Andrassy. In 1857 he entered the service of the Vienna Creditanstalt. As a member of the Vienna city council Kompert displayed a useful activity in the interest of education, and likewise, as a member of the board of the Jewish congregation, in the promotion of religious instruction. He took an active part also in the Israelitische Allianz of Vienna. As vice-president of the Israelitischer Waisenverein he devoted considerable attention to the education of orphans, and used his influence in the foundation of Baron Todesco's institution for the benefit of orphans who had left the asylum. He also held for many years honorary offices in the Schillerverein. Kompert began his literary activity in the Pressburger Zeitung. From 1848 to 1852 he was editor of the Österreichischer Lloyd. As creator of ghetto literature he is called the Auerbach of the ghetto. His stories depicting the life, customs, and manners of the Bohemian Jews have become classical and have found many imitators. He draws the transition from the life in the narrow ghetto to the farmer's life in the open field; and he shows the struggles, doubts, and misgivings of those who, yielding to the impulse of modern times, undergo the changes of their newly chosen career. Seeing that under the leveling influence of the present day the characteristic inner Jewish life is threatened to vanish, he endeavors to preserve its originality, its deeper psychological, sentimental, and ethical spirit, for the knowledge of posterity. Kompert's first story, Der Schnorrer, appeared in 1846 in Ludwig August Frankl's Sonntagsblatt, No. 7. Then followed Geschichten aus dem Ghetto, Leipzig, 1848; Böhmische Juden, Vienna, 1851; Am Pfluge, Berlin, 1855; Neue Geschichten aus dem Ghetto, Prague, 1860; Geschichten einer Gasse, Berlin, 1865; Zwischen Ruinen, ib. 1873; Franzi und Heini, eine Wiener Geschichte, ib. 1880; Verstreute Geschichten, ib. 1883. In Franzi und Heini, a picture of Vienna society, the Jewish pedler woman Perl Blüthenstern plays an important part. Some of these stories were first published in Wertheimer's Jahrbuch für Israeliten. A complete edition of Kompert's works in eight volumes appeared in Berlin, 1882-83, and a new edition in Leipzig, 1887. In 1863, Kompert published an article by Heinrich Graetz in which Graetz interpreted Isaiah chapters 52 and 53 to refer not to the personal Messiah, but rather to the entire people Israel. Graetz and Kompert were brought to court in Vienna for publishing ideas that were heretical to Catholic faith, in addition to contradicting Jewish tradition. Viennese rabbis Isaak Noah Mannheimer and Lazar Horowitz defended Graetz, and Azriel Hildesheimer criticized them for doing so. This case, known as the "Kompert Affair," was in important date in defining the wedge between Orthodox Judaism and the nascent Conservative Judaism championed by the likes of Graetz and Zacharias Frankel. [edit]Works

1848 - Aus dem Ghetto (Erzählungen) 1851 - Böhmische Juden (Erzählungen) 1855 - Am Pflug (Roman) 1860 - Neue Geschichten aus dem Ghetto (Erzählungen) 1865 - Geschichten einer Gasse 1875 - Zwischen Ruinen (Roman) 1881 - Franzi und Heini (Roman) Der Dorfgeher Die Jahrzeit Die Schwärmerin Eisik's Brille Gottes Annehmerin Judith die Zweite Ohne Bewilligung Leseprobe aus Die Kinder des Randars [edit]

http://www.stifterverein.de/de/autorenlexikon/i-l/kompert-leopold.html

  • 15. Mai 1822 Münchengrätz (Mnichovo Hradištĕ) + 23. November 1886 Wien

Grabstätte: Wien, Zentralfriedhof: I. Tor Gruppe 6, Reihe 1, Nr. 2

Wie sein Jugendfreund Moritz Hartmann und sein späterer Förderer Ludwig August Frankl wurde Leopold Kompert in einer ländlichen Judengasse geboren. Er war der zweite Sohn von fünf Kindern des Wollhändlers und Mautpächters Josef Kompert und dessen Frau Susana, deren Vater Moises Künstler (1746-1835) wegen seiner Tätigkeit als Schulsinger, Rabbiner und Schächter zu den weithin geachteten Persönlichkeiten zählte. Der körperlich zarte Junge wuchs in unmittelbarer Nachbarschaft von Synagoge und Armenherberge heran und wurde von der dreifachen Ausgrenzung – religiös, sprachlich, rechtlich – gegenüber der hauptsächlich tschechischsprachigen Umwelt und der extremen räumlichen Enge innerhalb des jüdischen Wohnbezirks, einer Art Treibhausklima, entscheidend geprägt. Leopold erlebte diesen Mikrokosmos mit seinen strengen religiösen Gesetzen, der Armut und den sozialen Problemen aufgrund eines engmaschigen Netzes staatlicher Reglementierung als ein durch den väterlichen Wohlstand im Vergleich zu den „Dorfgehern“ und „Schnorrern“ privilegiertes Gemeindemitglied. Botengänge mit dem Großvater führten ihn zu den „Randaren“ auf den umliegenden Dörfern, Gastwirten mit Branntweinlizenz, die bei den tschechischen Bauern gleichermaßen beliebt wie gehaßt waren.

Neben der talmudischen Erziehung genoß der Knabe auch den von Joseph II. im Zuge der Toleranzgesetzgebung ab 1781 eingeführten deutschen Elementarunterricht, der die Basis für den Besuch des Jungbunzlauer Piaristen-Gymnasiums (1832-1835) und ein anschließendes Medizinstudium bildete. Da noch bis 1848 das diskriminierende Familiantengesetz galt, nach dem nur der erstgeborene Sohn eines Juden eine Familie gründen durfte, setzte die Mutter durch, daß ihren beiden Söhnen die Ausbildung finanziert wurde, um ihnen als Akademikern die Heiratserlaubnis zu verschaffen. Aufgrund des Niedergangs des regionalen Wollhandels verarmte der Vater jedoch und die Söhne waren ab 1837 auf sich selbst gestellt. Leopold besuchte fortan das Neustädter-Gymnasium in Prag, um sich den Lebensunterhalt durch Nachhilfestunden zu verdienen. Nach dem philosophischen Jahr an der Karlsuniversität wagte er 1839 den Sprung nach Wien und nahm dort eine Hauslehrerstelle bei einem begüterten Glaubensgenossen an, die mit einer unbefristeten Aufenthaltsgenehmigung verbunden war.

Den seit der Kindheit zusammen mit Hartmann und Isidor Heller (1816-1879) literarisch Dilettierenden brachte eine Sommerreise nach Ungarn 1840/41 in Kontakt mit Adolf Neustadt, dem Herausgeber der Pannonia, der belletristischen Beilage der Preßburger Zeitung; dieser veröffentlichte Komperts noch ganz unter dem Einfluß des Jungen Deutschland stehenden Reisebilder und empfahl ihn auch L. A. Frankl, der die Sonntagsblätter in Wien edierte. Von solchen Anfangserfolgen ermutigt, versuchte der junge Autor sich mit journalistischen Beiträgen in Preßburger Literatenkreisen zu etablieren.

Während einer längeren Hauslehrertätigkeit als Erzieher des Grafen Dionys v. Andrássy (1835-1913) in Rosenau/Ungarn, fern von der deutschen oder gar jüdischen Sprachheimat, fand Kompert zu seinem eigentlichen Sujet, mit dem er im Gefolge der Ghettoschilderungen von B. Auerbach, H. Heine, H. Schiff und J. Kaufmann für das Genre bahnbrechend war und buchstäblich Schule machen sollte. Später stilisierte er das Bekanntwerden mit Josef Ranks Geschichten Aus dem Böhmerwald (1843) und dem Band Jeschurun. Taschenbuch für Schilderungen und Anklänge aus dem Leben der Juden (1841) im Verein mit dem Heimweh nach Münchengrätz zum Initiationsmoment seiner Dichtung. In rascher Folge entstanden die ersten Versuche mit genuin jüdischer Thematik. Von Neustadt und Frankl wohlwollend begleitet, ging Kompert gezielt daran, Erlebtes, Gehörtes und schriftlich Berichtetes mit religiösem und ethnographischem Wissen zum besseren Verständnis für nichtjüdische Leser erzählerisch auszugestalten, und begründete die populäre kulturhistorische Ghettogeschichte im deutschsprachigen Raum. Der Austausch mit dem dänischen Autor Meir Goldschmidt (1819-1887), der 1845 den Roman Ein Jude veröffentlicht hatte und den er ein Jahr später kennenlernte, bestätigte ihn in der eingeschlagenen Richtung zusätzlich.

Das Erscheinen von bislang einzeln publizierten Texten, die in Preßburg bzw. Münchengrätz spielen, unter dem Titel Aus dem Ghetto (1848) erregte die Aufmerksamkeit von Ludwig Philippson (Allgemeine Zeitung des Judentums) und Ferdinand Kürnberger (Sonntagsblätter) und verhalf Kompert nicht nur zu einem überregionalen Leserkreis, sondern stellte ihn neben so renommierte Autoren wie Berthold Auerbach (Schwarzwälder Dorfgeschichten 1842) und Jeremias Gotthelf – fortan die einzigen literarischen Vorbilder, die er selbst für sich gelten lassen wollte. Die Einordnung der Ghettogeschichte in die damals beliebte Dorfgeschichte, mit der sie den regionalen Fokus gemeinsam hat, wurde für ihre Rezeption richtungsweisend. In jüngster Zeit wird allerdings im Blick auf eine Gesamtbetrachtung des Genres mit dem Begriff der „Hybridität“ (Horch/Glasenapp 2005) stärker dessen Gattungsvielfalt und Eigenart betont.

Kompert propagierte mit seinen, die Zustände im Ghetto sentimentalisch idealisierenden Texten, entgegen späterer Lesart, nicht nostalgisch eine Rückkehr in die voremanzipatorische Zeit. Vielmehr zeigt er mit der Betonung der tragischen Züge jüdischen Schicksals zwar die kulturelle Differenz, hebt sie jedoch u. a. durch die Rückprojektion bürgerlicher Tugenden zugleich ins Universelle. Kürnbergers Deutung der Beschränkung auf jüdische Protagonisten der untersten Schicht als ein Symptom für das Erstarken des demokratischen Elements trifft allerdings nicht die Überzeugung des Autors. Denn obwohl der Fünfundzwanzigjährige, der 1847 sein Medizinstudium in Wien wieder aufnahm, bestürzt über judenfeindliche Ausschreitungen im Mai 1848 in der ersten jüdischen Zeitung, dem Oesterreichischen Central-Organ, einen Auswanderungsappell („Auf nach Amerika!“) verfaßte und von 1848-1852 im politischen Ressort des Oesterreichischen Lloyd tätig war, blieb er zeitlebens einer kaisertreuen, konservativen Haltung verpflichtet.

In der Tradition nachklassischer Poetik, die im Individuellen das Allgemein-Menschliche suchte, schildert Kompert dezidiert nicht einen ‚Nationalcharakter’ der Juden, sondern gleichsam unbeachtet gebliebene Facetten menschlichen Handelns und Fühlens. Dabei waren die intime Kenntnis jüdischer Realien und die Fülle authentischer Informationen maßgeblich für seine lang anhaltende Beliebtheit. Überzeugt davon, dass nichtjüdische Leser sukzessive ihre Vorurteile ablegen würden, trat er für eine langsame, aber stetig fortschreitende Emanzipation ein und war schon aufgrund seines konzilianten Wesens ein Gegner revolutionärer Ideen.

Nach Jahren als Erzieher der Kinder des preußischen Generalkonsuls v. Goldschmidt (1852-1857), Beamter der Österreichischen Creditanstalt (1857-1862) und Theaterkritiker bei dem zur Constitutionellen Oesterreichischen Zeitung umbenannten Oesterreichischen Lloyd (1861-63) konnte sich Kompert 1857 durch die Heirat mit der vermögenden Witwe Marie Pollak (geb. Levi bzw. Löwy) zunehmend finanziell unabhängig machen. Ab 1863 bekleidete er neben seiner Funktion als Mitdirektor einer Bank nur noch Ehrenämter.

Die bisher geübte Praxis, die Ghettoerzählungen zuerst als Fortsetzungen in Zeitungen und einzeln in jüdischen Jahrbüchern zu veröffentlichen, setzte Kompert fort und etablierte sich als gefragter Novellist und Publizist der Wiener Lokalpresse. Als solcher gehörte er auch ab 1859 dem Presseclub „Concordia“ an, übernahm 1860 die Herausgebertätigkeit für das Jahrbuch für Israeliten und begründete schließlich 1861 mit Simon Szántó die jüdische Wochenschrift Die Neuzeit. In Nummer 8 findet sich, was man auch Komperts säkulares Credo nennen könnte: „Amalgation in Allem, was Umgang, Gesittung, Cultur, allgemein Menschliches betrifft – Separation dagegen, Pflege der Sonderinteressen, so weit sie den inneren Beruf des jüdischen Volkes und Glaubens anbelangen.“ Seine wachsende gesellschaftliche Bedeutung spiegelt sich in Auszeichnungen und Ämtern auf Gemeinde- und Landesebene wider: Kompert erhielt den Ehrendoktor der Universität Jena, war Mitbegründer und Vorstandsmitglied der Wiener Sektion der Schillerstiftung und später auch ihr Präsident, wurde bei der Enthüllung des Goethe-Schiller-Denkmals in Weimar dem Großherzog Carl Alexander vorgestellt, dem er 1865 die Geschichten einer Gasse widmete, und konnte sich überhaupt eines großen adeligen Leserkreises im deutschsprachigen Raum erfreuen. 1868 erhielt er für seine kulturellen Verdienste den Franz-Joseph-Orden. Betraut mit der Schulaufsicht innerhalb der israelitischen Kultusgemeinde wurde er bald zum Regierungsrat, 1870 zum Bezirksschulrat der Stadt Wien ernannt und saß von 1873 bis 1881 im städtischen Gemeinderat. 1876 bekam er das Amt des Landesschulrats für Niederösterreich angeboten, das er bis zu einem zweiten Schlaganfall im April 1884, der ihn ans Bett fesselte, innehatte.

Zu seinem 40jährigen Schriftstellerjubiläum, das Freunde ihm am 60. Geburtstag ausrichten, ist Kompert Mittelpunkt eines Kreises von Literaten aus dem europäischen Ausland – seine ausgedehnte Korrespondenz, bisher nur zum Teil und verstreut publiziert, harrt noch der wissenschaftlichen Aufarbeitung - und jüngerer Kollegen aus anderen Kronländern wie Eduard Kulke und Karl Emil Franzos, die ihn als Mentor verehren und in ihrem eigenen Schaffen, imitierend oder radikalisierend, auf ihn Bezug nehmen. Äußere Zeichen der Achtung auch des konservativ-liberalen Teils der nichtjüdischen Öffentlichkeit sind die Verleihung des Wiener Bürgerrechts und des Titels Regierungsrat durch den Kaiser. Zwei Jahre nach seinem Tod wird überdies eine Gasse im V. Stadtbezirk Margarethen nach Kompert benannt.

Was sich auf den ersten Blick wie eine Aufstiegsbiographie liest und exemplarisch für eine scheinbar geglückte Akkulturierung steht, offenbart bei näherem Hinsehen gleichwohl Risse: Komperts Neigung zur Harmonisierung, die ganz im Dienste seines pädagogischen Impetus stand, bestimmte auch sein eigenes Leben. Doch vor öffentlichen Angriffen blieb er nicht verschont: In einem von der judenfeindlichen Wiener Kirchenzeitung angestrengten Prozeß gegen einen Aufsatz des Breslauer Professors Heinrich Graetz im Jahrbuch für Israeliten auf das Jahr 5624 wurde Kompert als dessen Herausgeber am 30. Dezember 1863 der „Beleidigung einer gesetzlich anerkannten Religionsgesellschaft“ und „des Vergehens der unterlassenen Aufmerksamkeit“ (Die Neuzeit, 1864) angeklagt. Bezeichnenderweise bediente sich sein Verteidiger eines literarischen Unschuldsbeweises und griff eine Szene aus der Novelle Eine Verlorene (1850) auf, in der ein Jude einen tschechischen Bauern von der Beschädigung einer Nepomukstatue abhält. Das Gerichtsurteil ist dennoch symptomatisch für die heraufkommende 'neue Zeit': Zwar wird die Anklage teilweise fallengelassen, aber Kompert muß ein Bußgeld zahlen und die Restauflage des Jahrbuchs vernichten. Aufmerksamen Zeitgenossen wie dem Herausgeber der Allgemeinen Zeitung des Judentums (1864) entging dabei nicht, daß hier mehr verhandelt wurde als die strittige theologische Frage nach einem persönlichen Messias. Zudem löste der Prozeß in den österreichischen Kultusgemeinden einen monatelangen Streit über das eine Judentum aus.

Jahre später, anläßlich des Erscheinens der Gesammelten Schriften - der Ausgabe letzter Hand, die der Autor mit Hilfe von Karl Emil Franzos erstellte - resümiert Gerson Wolf in derselben Zeitung (1883): „Kompert schrieb seine Werke zu einer Zeit, da es noch keinen Antisemitismus gab [....] und man durfte sich der Hoffnung hingeben, daß [die Vorurteile] bei weiterschreitender Civilisation und zunehmender Bildung bald verschwunden sein werden. [...] Zur Zeit aber als die Gesammtausgabe erschien, stand und leider stehet der Antisemitismus in voller Blüthe.“ Gegen Ende seines Lebens konnte sich der kranke Ghettoschriftsteller der Tatsache nicht verschließen, daß sein Vertrauen in die Deutschen und ihre Humanität enttäuscht worden war.

Komperts Schaffen läßt sich in drei Phasen einteilen: von den frühesten, noch in der Tradition Heines, Saphirs und Lenaus stehenden schriftstellerischen Versuchen mit der ersten Buchveröffentlichung Aus dem Ghetto (1848) über die Phase der Etablierung im literarischen Leben Österreichs mit den Erzählbänden Böhmische Juden (1851) und der Großnovelle Am Pflug (1855) bis hin zur - vordergründigen - Konsolidierung im deutschsprachigen Kulturbetrieb mit Neue Geschichten aus dem Ghetto (1860), Geschichten einer Gasse (1865) und Zwischen Ruinen (1875).

Seine schriftstellerische Laufbahn begann Kompert mit dem Vorsatz, nur das schildern zu wollen, was er kennt. Diese Selbstverpflichtung zur Realitätsnähe wird begleitet von einer aus dem Vormärz übernommenen biedermeierlichen Vorliebe für die Miniaturmalerei. Mit der Beschränkung auf das Kleine nimmt Kompert aber auch Bezug auf die Besonderheit der jüdischen Lebensform, wie sie seit dem Mittelalter in der räumlichen Abgrenzung der Gemeinschaft und der habituellen Kennzeichnung jedes einzelnen zum Ausdruck kam. Die beständige Unterdrückung einer natürlichen Entfaltung mußte nach Jahrhunderten einen jüdischen Phänotyp hervorbringen, der sich stark von seinem christlichen Pendant unterschied. Erst im Zuge der Haskala, der jüdischen Aufklärung, mit Moses Mendelssohn (1729-1786) an der Spitze, war ein geistiger Anschluß an die Umgebung wieder möglich. Bald wurde sichtbar, daß sich das Ghetto als Lebensform überholt hatte; die Menschen jedoch, die darin aufgewachsen waren, liefen Gefahr, mit der Freizügigkeit ihre gewachsene Identität zu verlieren. Auf diesem Hintergrund fühlte sich Kompert dazu berufen, literarisch festzuhalten, was die „Gasse“ an Gutem und Bewahrenswertem barg. So imaginierte er jüdische Gemeinschaft aus der Vergangenheit neu und verstand sich selbst als religiöser Dichter.

Obwohl Friedrich Hebbel, der ihn in einem satirischen Text auf die „Dichter des Details“ - einem Epitheton, das Gustav Freytag schon 1849 für Kompert fand - unter der Überschrift Die alten Naturdichter und die neuen in eine Reihe mit Brockes, Geßner und Stifter [Untertitel ab 1851] gestellt hatte, dies auf die Nachfrage Kulkes „im Blick auf Kompert als Mißverständis“ (1865) einräumte, wurde die Schmähung nie ausdrücklich zurückgenommen. Tatsächlich trifft der Dramatiker in einem Punkt ins Schwarze: Wenn auch Kompert nicht als Naturdichter apostrophiert werden kann, so hat er mit den genannten Autoren doch die Fähigkeit gemeinsam, „das Kleine vortrefflich“ zu schildern. Als Bewahrer „culturhistorischer Momente“ (Philippson 1855) und „jüdischer Geschichtsschreiber“ (Müller 1888) erstellte er „die umfassendste psychische Studie des Judentums“ (Honegger 1883) und ergänzte die Statistiken und Chroniken jüdischer Lebenswirklichkeit durch fiktive Charaktere und Szenen, „welche der Natur sprechend ähnlich sind, so daß sie einem förmlich bekannt vorkommen und man glaubt, sie bereits gesehen zu haben“ (Wolf 1883). Den Texten der Hauptschaffensphase wohnt überdies ein antizipatorisches Moment inne; so, wenn Kompert in dem Verbot des Grundbesitzes für Juden die Ursache sozialer und psychischer Deformation sieht und in Am Pflug (1855) gleichsam die Grundidee Theodor Herzls bzw. die spätere Besiedelung Palästinas präludiert. Schreibend reagiert er auf im Zuge der Emanzipation erfolgende Erleichterungen wie die Erlaubnis zur sog. Noth-Civil-Ehe zwischen Juden und Christen (Zwischen Ruinen).

Das Genre der Ghettoliteratur wirkt bis in die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts hinein. Noch Stefan Zweig und Josef Roth stehen in seiner Tradition. Kompert selbst behauptet lange einen festen Platz in den Literaturgeschichten, sein Werk ist Gegenstand von Vorträgen und wird besonders als Jugendlektüre empfohlen; eine eingehende Beschäftigung bleibt jedoch zunehmend jüdischer Pietät oder gar Nostalgie vorbehalten. Nach der Jahrhundertwende stellen sowohl Stefan Hock (1906) als auch Paul Amann (1907) das Vergessensein des Autors fest. Noch bis in die 30er Jahre findet aber von antisemitischen Vertretern der Germanistik wie Josef Nadler und Wilhelm Stoffers eine, wenn auch rein abwertende Auseinandersetzung mit dem Autor und seinem nun kaum mehr nachvollziehbaren Erfolg statt.

Von einzelnen Überblickdarstellungen abgesehen, setzt ein erneutes Forschungsinteresse erst in den 70er Jahren im angloamerikanischen Raum ein, um ab Anfang der 80er Jahre auch in Österreich und Deutschland wieder an Boden zu gewinnen. Doch Komperts Ghettogeschichten selbst erschienen seither nur in Auswahl und kleiner Auflage. Derzeit sind einzig im Onlineprojekt Gutenberg-Spiegel acht Texte aus der ersten und zweiten Schaffensperiode zugänglich (Stand: März 2008). Eine Neuausgabe der Werke wäre aber auch deshalb wünschenswert, weil sich in diesen Erzählungen die exotische Lebenswelt böhmischer Juden vom ausgehenden 18. Jahrhundert bis in die 80er Jahre des 19. Jahrhunderts einschließlich der Spuren des Westjiddischen erhalten hat, wie in keinem anderen Oeuvre dieser Epoche.

Als Beispiel für eine Form der Minderheitenliteratur und der versuchten Bewältigung einer religiösen, kulturellen und gesellschaftlichen Krise historischen Ausmaßes gewinnen die Texte gerade in jüngster Zeit, in der eine atavistisch anmutende Furcht vor Parallelgesellschaften um sich greift, wieder an Bedeutung; bezeugen sie doch eine multiple kulturelle Identität, wie sie zu den Bedingungen einer offenen, pluralistischen Gesellschaft gehört. (M. Theresia Wittemann)

Selbständige Publikationen

Hinweis: Die Erzählbände sind ausschließlich als Buchveröffentlichungen verzeichnet. Zum Abdruck der Einzeltexte vgl. Glasenapp, Gabriele von/Horch, Hans Otto (Hrsg.): Ghettoliteratur. Eine Dokumentation zur deutsch-jüdischen Literaturgeschichte des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. 3 Bände. Tübingen 2005, S. 951-966 (= Conditio Judaica, 53). Auf nach Amerika! [1848]. In: Guido Kisch: In Search of Freedom. London: E. Goldston 1949, S. 215-229. Aus dem Ghetto. Geschichten. Leipzig: Fr. Grunow 1848. 2. Aufl., Leipzig: Herbig 1850. 3. Aufl., Leipzig: Hesse und Becker 1896. Leipzig: Hesse und Becker 1907 (= Max Hesses Volksbücherei, Band 305-308). Übersetzungen: Holländisch (1852/1856), Dänisch (1853), Französisch (1859); Englisch (1882). Tschechisch (Šlemíl. Povídka [Schlemiel]. In: Kalendář česko-židovský (1883/1884). Prag 1883, S. 65-84). Böhmische Juden. Geschichten. Wien: Jasper, Hügel und Manz 1851. Neuausgabe Prag: Kober 1865. Dass., Hamburg: J. F. Richter 1866 (= Israelitische Novellen von Dr. Hermann Schiff, L. Kompert und Anderen, 3). Böhmische Juden. Drei Erzählungen. Leipzig: Hesse und Becker 1907 (= Max Hesses Volksbücherei, 401-408). Übersetzung: Französisch (1860); Holländisch (1854). Am Pflug. Eine Geschichte. Zwei Bände, Berlin: Franz Duncker 1855. Übersetzung: Hebräisch (1902 und 1905). Beschrieen. In: Illustrirtes Israelitisches Jahrbuch für Ernst und Scherz a. d. J. 5620 [1859/60]. Hg. von Samuel Winter. Tirnau, Pest 1859, S. 85-89. Wiederabdruck u. d. T. Das Märchen in der "Gasse". Vergessene Geschichten. I. Unberufen. In: Die Neuzeit 2 (1862), No. 1, S. 6-8. Corporal Spitz. In: Jahrbuch für Israeliten a. d. J. 5620 (1859/60). Hg. von Joseph Wertheimer. Wien 1859, S. 209-245. E[lias]Gut (Hrsg.): Für unsere Jugend. Ein Unterhaltungsbuch für israelitische Knaben und Mädchen. Frankfurt a. M.: I. Kauffmann 1911, S. 87-109. Selbstwehr. Unabhängige jüdische Wochenschrift, Prag 13 (1919), Nr. 4-8.Übersetzung: Holländisch (1908/09). Neue Geschichten aus dem Ghetto. Zwei Bände, Prag: Kober & Markgraf 1860. Dass., Neue Ausgabe. 1862 (= Deutsche Salon-Bibliothek für Geschichte und Belletristik, 3-4). Dass., Sieben Erzählungen. Mit einem Bilde des Dichters. Leipzig: Hesse und Becker 1908 (= Max Hesses Volksbücherei, 494-498). Übersetzung: Holländisch (1865). Das Märchen in der “Gasse”. Vergessene Geschichten. II. Die zersprungene Glocke und III. Der Witz einer Mutter. In: Die Neuzeit 2 (1862), No. 3, S. 31-32 und No. 4, S. 44-45. Geschichten einer Gasse. Novellen. 2 Bände, Berlin: Louis Gerschel 1865. Leipzig: Hesse und Becker o.J. (= Meisterwerke neuerer Novellistik, 4) Übersetzungen: Tschechisch (Lovkyněduší. Povídky [Die Seelenfängerin]. In: Kalendář česko-židovský 8 (1888/1889), Prag 1888, S. 109-142. Modlitba dítěte. Novela [Die Jahrzeit]. Kalendář česko-židovský 14 (1894/95), Prag 1894, S. 57-93). Wie man heirathete. In: Jahrbuch für Israeliten a. d. J. 5626 (1865/66). Wien 1865, S. 252-271. E[lias] Gut (Hrsg.): Für unsere Jugend. Ein Unterhaltungsbuch für israelitische Knaben und Mädchen. Neue Folge Frankfurt a. M: I. Kauffmann 1913, S. 17-33 [u. d. T. “Wie mein Großvater heiratete”]. Leo Deutschländer (Hrsg.): Westöstliche Dichterklänge. Ein Lesebuch. Breslau: Priebatsch 1918, S. 155-163. E[lias] Gut (Hrsg.): Leopold Kompert. Eine Auswahl aus seinen Schriften. Berlin: Schocken 1936 (= Jüdische Lesehefte, 12), S. 6-18. Gerhard Schneider (Hrsg.): Christian und Lea. Erzählungen. Berlin: Der Morgen 1964, S. 5-31. Übersetzungen: Italienisch (1865). Tschechisch (Když si náš dědeček babičku bral. Povídka. In: Kalendář česko-židovský 17 (1897/98), Prag 1897, S. 125-172). Wie Hund und Katze. In: Jahrbuch für Israeliten a. d. J. 5627 (1866/67). Wien 1866, S. 179-190. Die Schwärmerin. In: Conkordia Kalender für das Jahr 1869. Hrsg. von Journalisten- und Schriftstellervereine Conkordia 2, Wien (1869). S. 39-66. Israelitische Wochenschrift 2 (1871), Nr. 11-18. Florian Krobb (Hrsg.): Der Dorfgeher. Geschichten aus dem Ghetto. Göttingen: Wallstein 1997, S. 119-144. Übersetzungen: Polnisch (1876). Tschechisch (Blouznilka. Povídka z ghetta. In: Kalendář česko-židovský 7 (1887/1888), S. 100-118). Zwischen Ruinen. Roman. 3 Bände, Berlin: Otto Janke 1875. Übersetzung: Hebräisch (1942) Leopold Kompert's gesammelte Schriften. 8 Bände, Berlin: Louis Gerschel 1882-1883. Band 1: Aus dem Ghetto. Band 2: Böhmische Juden. Band 3: Am Pflug. Band 4: Neue Geschichten aus dem Ghetto. Band 5: Geschichten einer Gasse. Band 6/7 [1883]: Zwischen Ruinen. Band 8: Verstreute Geschichten [Die Schwärmerin. Korporal Spitz. Von meinem Großvater: I. Wie man heiratete, II. Wie Hund und Katze]. Dass., 3. Auflage, Leipzig: K. F. Koehler 1887. Leopold Komperts sämtliche Werke in zehn Bänden. Mit einer biographischen Einleitung von Stefan Hock. Leipzig: Max Hesse 1906. Band 1-7: vgl. Leopold Kompert’s gesammelte Schriften. Band 8: Franzi und Heini. Band 9: Verstreute Geschichten [Die Schwärmerin. Korporal Spitz. Von meinem Großvater: I. Wie man heiratete, II. Wie Hund und Katze. Auf dem Monte Pincio. Die deutsche Gräfin in Ungarn. Der erste Meridian. Ohne Selbstlaut. Die Bacchantin. Der kleine Spieler]. Band 10: Kleine Schriften [u. a. Skizzen aus dem Ghetto: Die Schnorrer. Das Matzesbacken. Das Verbrennen des Gesäuerten. Auf der Beschau]. Das Mazzothbacken. In: Hugo Hermann (Hrsg.): Chad Gadja. Das Peßachbuch. Berlin: Jüdischer Verlag 1914, S. 159-168. Gut, E[lias] (Hrsg.): Leopold Kompert. Eine Auswahl aus seinen Schriften. Berlin: Schocken 1936 (= Jüdische Lesehefte, 12), [Wie mein Großvater heiratete. Das Kind, das den Messias sieht. Etwas vom Segen (aus: Ghetto-Märchen). Die Jahrzeit. Das Verbrennen des Gesäuerten. Von jüdischen Festen. Pflügerlied]. Schneider, Gerhard (Hrsg.): Leopold Kompert. Christian und Lea. Berlin: Der Morgen 1964 [Von meinem Großvater. Eisiks Brille. Roßhaar. Judith die Zweite. Ohne Bewilligung. Der Min. Schlemiel. Julius Arnsteiners Beschau. Christian und Lea. Trenderl]. Bittrich, Burkhard (Hrsg.): Leopold Kompert. Ghettogeschichten. 2. Aufl. Berlin: Nicolaische Verlagsbuchhandlung 1993 (= Deutsche Bibliothek des Ostens) [Schlemiel. Eisiks Brille. Roßhaar. Der Min]. Krobb, Florian (Hrsg.): Leopold Kompert. Der Dorfgeher. Geschichten aus dem Ghetto. Göttingen: Wallstein 1997 [Ohne Bewilligung, Der Dorfgeher, Eisiks Brille, Die Schwärmerin, Die Jahrzeit, Gottes Annehmerin]. Höfler, Günther A./Spörk, Ingrid (Hrsg.): Der Dorfgeher. Ghettogeschichten aus Alt-Österreich. Leipzig: Reclam 1997 (= Reclam-Bibliothek, 1581) [darin: L. K., Der Dorfgeher, S. 10-54]. Kucher, Primus-Heinz (Hrsg.): Leopold Kompert. Die Kinder des Randars. Klagenfurt: Alekto 1998 (= Mnemosyne, 9). (M. Theresia Wittemann)

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Leopold Kompert's Timeline

1822
May 15, 1822
Mnichovo Hradištĕ, Central Bohemia, Czech Republic
1886
November 23, 1886
Age 64
Vienna, Austria
????
Vienna, Vienna, Austria